Die Grenze / La frontière - Deutsch-französische Sommerschule für NachwuchswissenschaftlerInnen

Die Grenze / La frontière - Deutsch-französische Sommerschule für NachwuchswissenschaftlerInnen

Organizer
Organisiert vom CIERA (Paris); in Zusammenarbeit mit dem Centre Marc Bloch (Berlin)
Venue
Moulin d'Andé
Location
Andé (Normandie)
Country
France
From - Until
03.07.2017 - 07.07.2017
Deadline
01.03.2017
By
Virginie RANSINAN

Die Sommerschule wird sich interdisziplinär und deutsch-französisch mit dem Thema « Grenze » befassen. Sie wendet sich an Doktoranden und Post-docs, die ihre Fragestellungen mit Kollegen aus unterschiedlichen Fächern und wissenschaftlichen Horizonten teilen, ihre Forschungsarbeit durch Dialog und Austausch anreichern und an der gemeinsamen Definition eines wissenschaftlichen Gegenstands teilnehmen möchten.

PROGRAMM

Unsere diesjährige Sommerschule geht über das Thema „Grenzen“. Das Phänomen der Grenze stellt in dreifacher Hinsicht einen höchst aktuellen Forschungsgegenstand für die Geistes- und Sozialwissenschaften dar:

In thematischer Hinsicht: Die verschiedenen Ausprägungen des spatial turn und die Einbeziehung territorialer Aspekte in Analysen der Gouvernementalität haben in den letzten Jahrzehnten zu einer grundlegend neuen Erforschung von Grenzen geführt. Von einem rein nationalen, im eigentlichen Sinn marginalen Objekt – einer Einschließung an der Peripherie –, das unter dem alleinigen Gesichtspunkt des sie überwachenden institutionellen Apparats betrachtet wurde, hat sich die Grenze im Prisma der Geistes- und Sozialwissenschaften zu einer Matrix für Differenzen und Territorien entwickelt, zu einem „Zentrum“, das von der gesamten Gesellschaft gestaltet wird und das seinerseits bei der Gestaltung des gesellschaftlichen Ensembles wirkmächtig wird, dessen geografische Peripherie sie bildet.

In methodischer Hinsicht: Unter den verschiedenen fachspezifischen Herangehensweisen rücken derzeit die Betrachtung von Mikro- und Makroebene und deren dynamische Verknüpfung, die „jeux d’échelle“ (Jacques Revel) auf zweierlei Art und Weise in den Fokus der Geistes- und Sozialwissenschaften. Zum einen steigt das Interesse für Austausch, Mobilität und Verflechtung, insbesondere auf transnationaler Ebene; zum anderen entstehen detaillierte Untersuchungen zu lokalen Akteuren, deren Interaktionen, agency und Vorstellungen das Entstehen des Politischen und des Sozialen erlauben. Die Grenze eignet sich in besonderer Weise dazu, diese beiden methodischen Ansprüche miteinander zu verknüpfen: Sie bildet einerseits ein konkretes, klar umrissenes Gebiet und konditioniert andererseits das Aufeinandertreffen und die Zirkulation von Menschen und Dingen ebenso wie die institutionellen Maßnahmen zur Regulierung dieser Bewegungen und Begegnungen.

In politischer Hinsicht: Während das Projekt Europa die allmähliche Auflösung zwar nicht der Staaten, doch zumindest der Grenzen postulierte und die derzeitige Gestalt der Union zu einem großen Teil dem unerwarteten Fall einer der härtesten Grenzen der Geschichte (des „Eisernen Vorhangs“) geschuldet ist, stellen die Überwachung der Migrationsbewegungen und neue Formen des sozialen Dumpings diese Auflösung der innereuropäischen Grenzen zunehmend wieder infrage, sowohl in der öffentlichen Meinung als auch im tagespolitischen Handeln. Kehren die Grenzen also wieder zurück? Zumindest nicht im Bereich des Finanzwesens oder der digitalen Kulturen, und auch nicht zwingend in den alten Trassen.

Diese dreifache Aktualität macht die Reflexion über „die Grenze“ nicht immer einfach. Sowohl der polemische Gebrauch als auch der wissenschaftliche Diskurs ist symbolisch aufgeladen, mit bewussten oder unbewussten Merkmalen belegt und von Bedeutungsverschiebungen durchzogen – ganz zu schweigen von den konzeptuellen Unterschieden in den verschiedenen Sprachen und historischen nationalen Kontexten. Eine Grenze ist viel mehr als eine einfache Trennlinie; und doch könnte man zuweilen vergessen, dass sie eben doch genau das sein kann. Ausdrücke wie „soziale Grenze“, „psychologische Grenze“ usw. verschieben den Begriff der Grenze hin zu dem der Schwelle, der Abgrenzung bis zu dem einer einfachen mentalen Repräsentation. Und doch liefert die Polysemie dieses Begriffs auch zahlreiche Ansätze für die Forschung, da sie uns dazu bringt, das Territoriale im Spannungsfeld der konkreten Handlungen und Vorstellungen zu erfassen, die den Begriff reflektieren und formen.

Die Sommerschule hat zum Ziel, die Materialität und die territoriale Verfasstheit der Grenze ins Zentrum der Überlegungen zu stellen; nicht um ihre Bedeutung zu reduzieren und einen Schritt zurück zu einem autoritären Verständnis von Grenzen zu machen, sondern um die zahlreichen möglichen Bedeutungen von „der Grenze“entlang einer konkreten Forschungsachse zu ordnen und eine Methode zu entwickeln, mit der sich ihre Potenziale erfassen lassen. So sollen etwa territoriale Prägungen und räumliche Konfigurationen sozialer und symbolischer Schwellen in den Blick genommen werden, aber auch symbolische und soziale Konstruktionen der territorialen Abgrenzung. Von der vor einem Schalter gezogenen Linie, die die Wartenden zur Disziplin mahnt, zum „Eisernen Vorhang“, von der erinnerungspolitischen Aneignung gefallener Grenzen zur räumlichen Abkapselung der gated communities – die Reflexion zur Grenze soll immer von der Materialität ausgehen, gerade um auch über diese hinauszugehen. Literarische und künstlerische Darstellungen der Grenze können auch gemeinsalen Arbeit beitragen.

Die Grenze soll hier verstanden werden als Praxis eines – sowohl konkreten als auch intellektuellen – Ortes, der verschiedene Dimensionen miteinander verknüpft und anhand dessen sich diese Verknüpfungen untersuchen und veranschaulichen lassen:
-Zwischen verschiedenen Maßstäben und Untersuchungsebenen: Mobilität, Austausch und deren Blockierung konkretisieren sich in einer Abfolge von zusammenhängenden Konfigurationen, welche zum Ausgangspunkt für Beobachtungen und Vorstellungen werden. So bestehen diese „lokalen“ Phänomene nicht autonom, sondern im Wechselspiel und Spannungsfeld verschiedener Ebenen.
-Zwischen Themenkomplexen: Der Sicht auf die Grenze als „situierter Ort“ der Wechselwirkungen zwischen räumlichen Ebenen sind die klassischen Unterteilungen in Politisches, Soziales, Wirtschaftliches, Religiöses, Kulturelles etc. untergeordnet. Diese Aspekte werden in einer Perspektive gebündelt, die darauf achtet, wie gerade ihr Zusammenspiel Grenzen konstruiert.
-Zwischen zeitlichen Ebenen: Die materielle und territoriale Verfasstheit der Grenze ist oft über einen langen Zeitraum hin entstanden. Daher eignet sie sich auch zum Erinnerungsort. Im Fall jüngerer Grenzen gründet die Wirkungsmacht einer Grenze auf gemeinsamen Zeichen und Praktiken. Dies macht aus ihr eine Art Palimpsest und einen Ort, an dem sich nicht so sehr eine „noch immer präsente Geschichte“ ablesen lässt, sondern vielmehr die Vorstellungen des Vergangenen sowie das Bestreben (und der Rhythmus) der Reaktualisierungen durch verschiedene Akteure und auf verschiedenen Ebenen.
-Zwischen Disziplinen: Aktualität, Vielseitigkeit und methodologisches Potenzial des Themas liefern ein günstiges Terrain dafür, die Fachgrenzen zu überspringen.

Nicht zuletzt bietet sich das Thema der Grenze natürlich in besonderer Weise für eine deutsch-französische Reflexion an – zum einen aufgrund der Geschichte der beiden Länder, die lange Zeit verfeindet waren, aber auch aufgrund der Konstruktion ihrer verschiedenen Wissenschaftstraditionen und des unterschiedlichen heuristischen und methodologischen Stellenwerts, den diese Traditionen der räumlichen Verfasstheit sozialer Phänomene beimessen. Diese Unterschiede führen dazu, die jeweiligen wissenschaftlichen Methoden, Traditionen und Herangehensweisen neu zu überdenken und so die wissenschaftliche Selbstreflexion zu fördern.

ZIELE UND ABLAUF

Die Sommerschule setzt sich zum Ziel:
-den Promovierenden und Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit zu bieten, ihre Projekte in einem internationalen und interdisziplinären Rahmen vorzustellen und zu diskutieren ;
-die Teilnehmenden dazu anzuregen, eine Reflexion über das gemeinsame Arbeiten zu entwickeln, also eine Sprache zu finden, in der sie ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten ausdrücken und diskutieren lassen;
-zwischen etablierten und jungen Forschern eine dynamische Beziehung aufzubauen, die weniger von einem unterschiedlichen Wissensstand als vielmehr von der kollegialen Erfahrung der Erschließung von Forschungsgebieten und Methoden der anderen sowie von der intellektuellen Herausforderung einer Synthese geprägt ist.

Diese Zielsetzung soll sich in zwei Formen kollektiver Arbeit niederschlagen:
Erstens werden die Doktoranden an vier halben Tagen zusammenarbeiten, immer in Kooperation mit einem pädagogischen Team, das die Doktoranden die ganze Sommerschule über eng begleitet. Diese Arbeit wird sich im Laufe der Tage entwickeln: vom „klassischen“ Format (kurze Projektpräsentation jedes Teilnehmenden auf der Grundlage eines vorher verteilten Textes mit Kommentar und Diskussion) über eine Reflexion darüber, wie die einzelnen Projekte einander angenähert, voneinander abgegrenzt, miteinander konfrontiert und füreinander nutzbar gemacht werden können, bis hin zu einer gemeinsam erarbeiteten Synthese .
Zweitens werden an drei Halbtagen Vorträge etablierter Forscher gehalten, gefolgt von intensiven Diskussionen und Debatten. Die Vortragenden werden im Vorfeld die Texte der Doktoranden erhalten und dazu angehalten, sowohl in ihren Vorträgen als auch in ihren Diskussionsbeiträgen der Diversität der Zuhörenden gerecht zu werden. Die sechs eingeladenen Vortragenden werden konkrete Beispiele vorstellen, in denen das wissenschaftliche Hauptziel der Sommerschule realisiert wird: die Materialität der Grenze mit der Vielfalt ihrer verschiedenen Ebenen und Dimensionen zu verknüpfen. Die Diskussionen werden im Rahmen von kleineren Arbeitsgruppen weitergeführt, die je nach thematischen und methodologischen Affinitäten gebildet werden.

Von den zukünftigen TeilnehmerInnen wird erwartet, dass sie:
-einen schriftlichen Beitrag (ca. 40 000 Zeichen) vor Beginn des Treffens der ganzen Gruppe zur Verfügung stellen. Dieser Beitrag soll dem interdisziplinären und deutsch-französischen Anspruch des Treffens Rechnung geben. Er soll während der Sommerschule kurz mündlich zusammengefasst werden.
-aktiv zu den Diskussionen und den Gruppenarbeiten beitragen.
-aktiv bei der Vorbereitung und Vorstellung der Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen mitmachen.

PRAKTISCHE INFOS UND BEWERBUNG

Datum des Seminars: von Montag, den 3. bis Freitag, den 7. Juli 2017
Ort der Veranstaltung: Moulin d’Andé in der Normandie/Frankreich (nächster Bahnhof : Val de Reuil)
Interessentengruppe: 25 junge ForscherInnen, vor allem DoktorandInnen oder Post-Docs (evtl. auch MasterstudentInnen), die möglicher-, aber nicht notwendigerweise in einer komparativen Vorgehensweise über einen deutschen oder französischen oder deutsch-französischen Themenbereich arbeiten. Die Forschungsthemen der TeilnehmerInnen müssen nicht direkt mit dem Schwerpunkt Grenze zu tun haben. Die Beiträge sollen aber von einem Interesse für das Thema der Sommerschule zeugen und dem interdisziplinären Anspruch der Sommerschule Rechnung tragen.
Sprachen: Arbeitssprachen sind Deutsch und Französisch. Alle Teilnehmer drücken sich in der von ihnen bevorzugten Sprache aus, sollten aber im Stande sein, die jeweils andere Partnersprache gut zu verstehen.
Kosten: Unterkunft- und Bewirtungskosten wird von den Organisatoren übernommen. Reisekosten werden bis zur 160 € den Reisenden aus Frankreich und bis 250 € den Reisenden aus Deutschland und anderen Herkunftsländern zurückerstattet. Unkostenbeitrag in der Höhe von 50 € wird von den TeilnehmerInnen verlangt.

Bewerbungen verlaufen in zwei Etappen:
1. Einschreibung auf der Webseite des CIERA:
Die Bewerber müssen für das Jahr 2016-2017 im CIERA eingeschrieben sein. Die Einschreibung erfolgt über ein Online-Formular auf der Webseite des CIERA.
2. Bewerbungsdossier:
Das Dossier besteht aus einem Lebenslauf und einem Beitragsabstract von ca. 3 000 Zeichen. Dieser Abstract soll sich mit der Thematik der Sommerschule befassen und dem interdisziplinären und deutsch-französischen Anspruch der Sommerschule Rechnung tragen. Der entsprechende Beitrag wird während der Sommerschule vorgestellt und diskutiert.

Die Bewerbungen sollen - weder gebunden noch geheftet – mit der Post geschickt werden an:
_-Christophe Duhamelle (à l’attention de Virginie Ransinan)
CIERA, Maison de la recherche, Université Paris-Sorbonne
28, rue Serpente
F-75006 Paris-_

Wichtige Termine:
-1. März 2017: Bewerbungsschluss (Die Bewerbungen müssen VOR dem 1.03.2017 am CIERA eingegangen sein).
-30. März 2030: Mitteilung an den Bew
-Juni 2017: Abgabe der endgültigen Beiträge (ca. 40 000 Zeichen) beim CIERA

Organisation: Christophe Duhamelle (EHESS/CIERA), Catherine Gousseff (Centre Marc Bloch), Béatrice von Hirschhausen (UMR „Géographie-cité“ UMR 8504 CNRS/Paris 1/Paris 7 et Centre Marc Bloch), Elissa Mailänder (Sciences Po/CIERA), Jay Rowell (CNRS/CIERA), Michael Werner (EHESS).

Auskunft und Kontakt:
Virginie Ransinan
CIERA, Maison de la recherche
28, rue Serpente
F-75006 Paris
E-mail : virginie.ransinan@paris-sorbonne.fr
Tél. : 01 53 10 57 37

Programm

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Virginie Ransinan

CIERA

virginie.ransinan@paris-sorbonne.fr

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